Montag, 28. März 2011

Geheime Miterzieher?

In Beers Ausführungen „Geheime Miterzieher der Jugend“ kann man klare bewahrpädagogische Ansätze erkennen, die den Medieneinfluss vor allem als Gefahr für die Jugend sieht. Aus dem Text spricht ein allgemeines Misstrauen gegen eine feindselige Medienwelt. Medienwelt vs. Arme Jugendliche, die schutzlos den Einflüssen von bunten Bildern und Reizüberflutung gegenüberstehen. Auf der einen Seite die traditionellen schönen Künste, auf der anderen Seite eine Mischung aus Schund, Sex und Gewalt. Ein Misstrauen, das in der Tradition von Rousseau und seiner Angst vor der Verwahrlosung der Jugend durch den Einfluss von Büchern entspringt.
Dabei kann man einige Gefahren, die von Beer genannt werden, bei einem unverhältnismäßigen Medienkonsum nicht von der Hand weisen. Diese sind aber dann eher in die Kategorie Mediensucht oder Medienmissbrauch einzuordnen. Hier kann es dann sicherlich zu den von Beer genannten physischen (z.B. Bewegungsmangel, Reizüberflutung, Akzeleration) oder psychischen (z.B. Verlust der gestaltenden Phantasie) Mängeln kommen oder auch zu einer Umwertung von Werten(Liebe zerfällt in Traumkitsch und hemmungslose Sexualität). Dies ist aber sicherlich nicht allgemein auf „die Jugend“ zutreffend, sondern auf einzelne problematische Fälle zu begrenzen. Ursache kann z.B. der übermäßige Konsum von nicht altersgerechten Inhalten (Z.B. Gewaltfilme oder pornografische Inhalte) sein. Als Lösung schlägt Beer hier ein Zusammenspiel aller pädagogisch wirkenden Kräfte (Eltern, Lehrer, Erzieher) vor. Dies sollte meiner Meinung nach aber in der Vermittlung von Medienkompetenz und nicht in einer moralischen Belehrung münden. Dies beinhaltet natürlich: Die Medienwelt nicht als Erziehungskonkurrenz zu betrachten, die frontal angegangen werden muss, sondern sich mit jugendlichen Medienwelten wertefrei und konstruktiv auseinanderzusetzen.
Dennoch hat Beer damals schon festgestellt, dass ein Vakuum in der Beschäftigung, bei den erzieherischen Instanzen, in Sachen Medienbildung besteht. Auch wenn er mit einer weitsichtigen Medienkonzeption sicherlich nicht eine ausgeweitete Einbeziehung der Medien in die Erziehung im Sinn hatte. Heute ist z.B. die Einbeziehung von sogenannter Schundliteratur oder Comics ein gängiger Weg, Nichtleser an die Auseinandersetzung mit Texten heranzuführen. Es wird also ein Zugang aus den Lebenswelten der Kinder postuliert, die zu einem weiterführenden Interesse am Thema führen soll.
Als grundlegend kann sicherlich die Schaffung von selektiven Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen angesehen werden. Analysefähigkeiten und das Durchschauen von Wirkungsmechanismen der konsumierten Medien sind hier als grundlegend für eine reflektierte und damit verantwortungsvolle Mediennutzung anzusehen. Auf Erwachsenenseite setzt dies natürlich eine Akzeptanz jugendlicher Medienwelten voraus. So können sich die technischen oft überlegenen Fähigkeiten der Jugendlichen und die Anliegen der Erwachsenen ergänzen. Beide Seiten können so voneinander profitieren.
Beers Ansätze die Medien als kreativen Ausgangspunkt für eigene gestalterische Aktivitäten zu nutzen, sind heute nicht mehr nur auf das Ausschneiden von Zeitungsschnipseln begrenzt. Mit den Möglichkeiten, die etwa der Computer bietet, sind die Möglichkeiten für Jugendliche fast unbegrenzt sich kreativ zu betätigen. Dies führt immer weiter weg vom reinen passiven Medienkonsumenten, hin zum kreativen Nutzer. Hiermit wird auch die Allmacht der bösen, jugendverrohenden Medienanbieter in Zukunft immer mehr relativiert.
Schulen oder andere pädagogische Einrichtungen sollten diese Chancen nutzen und Kindern und Jugendlichen die von Baacke genannten Aspekte zur Medienkompetenz vermitteln (z.B. Fähigkeit zur Medienkritik, Medienkunde, Medienhandeln, Mediengestaltung). So können Medien mehr Chance als Gefahr für Kinder und Jugendliche bedeuten und nicht nur in der Freizeit, sondern auch in der Bildung und im Beruf einen positiven Mehrwert darstellen.

1 Kommentar:

  1. Hallo Thorsten,

    Ich finde den Punkt "selektive Kompetenzen", den Du anspricht, sehr spannend. Bei Beer habe ich so meine Zweifel, daß hier "eine Akzeptanz jugendlicher Medienwelten" vorliegt (vgl. seine Aussagen zu Comics). Ohne diese grundlegende Akzeptanz "jugendlicher" Medienformen kippt man leicht wieder in die gehabte Rhetork (Clips auf MTV=schlecht, Schund, gewalttätig, übermäßig sexualisiert; Kurzfilme auf Arte=wertvoll).

    Ich stimme Dir zu, daß durch den Computer (und erst Recht das Web2.0!) ganz neue Möglichkeiten der kreativen Auseinandersetzung zustandegekommen sind. Beers Vorschläge wirken da schon ein wenig verstaubt im Vergleich :-)

    Gruß,

    Judith

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