Dienstag, 5. Januar 2010

Comenius gestern und noch heute?

Im Kontext der damaligen Zeit (30 jähriger Krieg, Europa zerstückelt in, in sich durch ihre Konfession definierende und dazu noch alle miteinander zerstrittene, Kleinstaaten), waren die Ansinnen von Comenius, in allen Gemeinden, Städten und Dörfern eines jeden christlichen Landes Schulen zu errichten, in denen die gesamte Jugend beiderlei Geschlechts ohne jede Ausnahme die Möglichkeit hat sich zu bilden, natürlich ein ehrenwertes und sicherlich auch revolutionäres vorhaben. Wenn wir sehen, dass sich Katholiken und Protestanten damals etwa so unversöhnlich gegenüberstanden, wie heute vielleicht nur noch die Religionen im Nahen Osten, könnte man das Vorhaben von Comenius durchaus als Lehre für den Weltfrieden (oder damals Europafrieden) betrachten.
"Die Vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren" ist aus der Zeit des 17. Jahrhunderts heraus, mit ihren gestiegenen technischen Möglichkeiten (Buchdruck= Möglichkeit Informationen zu verbreiten), in meinen Augen auch heute in leicht abgewandelter Form noch aktuell. Denn auch heute sollte das Ziel sein allen Kindern (natürlich nicht nur christlichen), unabhängig der sozialen Herkunft, den Zugang zu Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen. Das dies auch in Deutschland nicht immer der Fall ist, wurde durch die OSZE und die Pisa Studie aufgezeigt ("Denn die Herstellung von Chancengleichheit ist einer der wichtigsten Eckpfeiler demokratischer Gesellschaften, gleichberechtigte Bildungschancen wesentlich für ihren Zusammenhalt und inneren Frieden." (vgl. Prof. Rolf Wernstedt/Marcel John-Ohnesorg, 2008, S.4)
Auch heute befinden wir uns in einer Umbruchphase, in der neue Technologien die Möglichkeit bieten, die Geschwindigkeit und Reichweite von Informations- und Wissensverbreitung zu forcieren.

Comenius war der erste, der seine Lehre von den Bedürfnissen des Kindes aus anlegte. Diesen Ansatz kann man als durchaus reformpädagogisch ansehen, auch wenn wir aus heutiger Sicht sicherlich eine andere Sichtweise von Kindheit und Erwachsenwerden haben. Auch der Bezug auf einen allgemeinen christlich geprägten Wissenskanon lässt sich natürlich nicht in dieser Art in das 21. Jahrhundert übertragen, da es heute die Wahrheit, die Grundlage, die Reihenfolge und den Weg, nicht mehr gibt, sondern die verschiedenen Interessen und Lebensstile innerhalb einer Gesellschaft pluralistischer geworden sind und eine zunehmende Spezialisierung auf ein eng eingegrenztes Gebiet vom einzelnen gefordert wird.
Durch die anhaltende Wissensexplosion bzw. Wissensveraltung und durch die Tatsache, dass die Halbwertszeit in vielen Bereichen (z.B. EDV Sektor) stetig abnimmt, wird das selbstgesteuerte lernen zunehmend als Schlüsselqualifikation notwendig (vgl. Weltner 1978. S. 20), mit allgemeinen Bildungsgängen wird es zunehmend schwieriger den individuellen Bedürfnissen der Schüler gerecht zu werden. Daher spricht Comenius mit seiner Forderung einer Unterrichtsweise Punkte an, die durchaus Aspekten einer heutigen zeitgemäßen Didaktik gerecht werden (Lehrer weniger lehren; die Schüler mehr lernen; in der Schule weniger Lärm, Überdruss..., dafür mehr Freiheit, Vergnügen und wahrhafter Fortschritt).
Auch mit seiner Forderung Rasch, Angenehm und Gründlich zu lernen trifft er doch genau den Trend unserer Zeit, in der alles auf eine effizientere Abwicklung von Tätigkeiten und einen schnelleren Informationsaustausch ausgelegt ist. Obwohl dies sicherlich nicht immer förderlich zum Wohle des Kindes ist (siehe G12 im Gymnasium), da sich meiner Meinung nach gezeigt hat, dass zwei Aspekte den dritten ausschließen
(Rasch und Angenehm aber nicht Gründlich,
Angenehm und Gründlich aber nicht Rasch,
Rasch und Gründlich aber nicht Angenehm).
Seine Forderung "in der Christenheit weniger Finsternis, Verwirrung und Streit dafür mehr Licht, Ordnung, Friede und Ruhe" einkehren zu lassen, kann man als einen Aufruf zum friedlichen Miteinander und zur Toleranz gegenüber Andersdenkenden verstehen. Solche sozialen Kompetenzen sind unbestritten auch Inhalte heutiger Bildungs- und Lehrbemühungen und sicherlich genauso notwendig wie zu Zeiten von Comenius.

1 Kommentar:

  1. Hallo Thorsten,

    man merkt Deinem Beitrag sofort an, dass Du Dich vermutlich nicht zum ersten Mal mit Comenius und seiner Didaktik beschäftigt hast. Ich finde Deine Ausführungen sehr nachvollziehbar, sehr fundiert. Besonders gut gefällt mir der Hinweis auf die kleine Ungereimtheit bzgl. "rasch, angenehm, gründlich" einschließlich des Hinweises auf G12.

    Viele Grüße
    Susanne

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